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16.02.2017 | 09:16 | skl

Schein-Debatte Kommt die Bargeldabschaffung?

Bargeldabschaffung
Wird das Bargeld abgeschafft um Negativzinsen zu ermöglichen?

Ökonomen und Banken fordern das Ende des Bargelds, Verbraucherschützer schlagen Alarm. Der 500-Euro-Schein wird ab Ende 2018 nicht mehr ausgegeben, Obergrenzen für Barzahlungen bereits diskutiert. Der Umgang mit Bargeld wird teurer, bargeldloses Bezahlen einfacher: Fast scheint es, als würde das Bargeld in naher Zukunft verschwinden – Debatte und aktueller Stand im Überblick. 

Spätestens, seit die Europäische Zentralbank das Ende des 500-Euro-Scheins angekündigt hat, ist in Deutschland eine emotional aufgeladene Debatte über eine mögliche Bargeldabschaffung entbrannt. Bargeldgegner begründen ihre Haltung mit dem Kampf gegen Steuerflucht, Geldwäsche, Terrorismus und organisierte Kriminalität, Bargeldbefürworter befürchten Einschnitte in bürgerliche Freiheitsrechte aufgrund eines für die Behörden vollständig nachvollziehbaren Zahlungsverkehrs.

Sowohl Bundesregierung als auch EU-Kommission denken mittlerweile über eine Bargeld-Obergrenze nach. Höchste Zeit, die Debatte zusammenzufassen und zu schauen, was sich bisher getan hat. Sind die Tage des Bargelds wirklich gezählt?

Die Bargeldgegner und ihre Argumente

Als einer der ersten äußerte der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kenneth Rogoff im November 2014 auf einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München die Forderung, Bargeld abzuschaffen. Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Kriminalität könnten so viel besser bekämpft werden. Wenn nur noch elektronisch gezahlt würde, ließen sich Zahlungsvorgänge zurückverfolgen und illegale Aktivitäten leichter aufklären. Mit demselben Argument denken Bundesregierung und EU-Kommission darüber nach, die Höhe von Bargeldzahlungen zu beschränken.

Rogoff führt noch ein weiteres Argument an: „Die Zentralbanken könnten auf diese Weise leichter Negativzinsen durchsetzen, um die Wirtschaft anzukurbeln“, zitiert ihn das Ifo-Institut. Bargeld ermöglicht den Sparern, vor Negativzinsen zu fliehen: Sie heben ihre Ersparnisse ab und parken sie unter der Matratze. In einer bargeldlosen Welt wäre das nicht mehr möglich.

Warum Bargeld-Befürworter an Scheinen und Münzen festhalten wollen

Für Bargeldbefürworter sind Scheine und Münzen ein Stück Freiheit. Wer mit Bargeld bezahlt, hinterlässt keine Spuren. Deshalb erklärte Klaus Müller, der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gegenüber der Rheinischen Post: „Bargeld ist gelebter Datenschutz. Unbares Zahlen hinterlässt Datenspuren, die kommerziell genutzt und zur Erstellung eines Verbraucherprofils verwendet werden können. Diese Daten können von dritten illegal abgefischt werden.“

Ein womöglich gar nicht so fernes Beispiel für die Nutzung von Zahlungsdaten: Wer gerne Schokolade isst, könnte künftig bei der Buchung eines Flugtickets einen höheren Preis wegen vermeintlichen Übergewichts zahlen müssen. Kreditkartenanbieter Mastercard hat bereits 2015 ein Patent für ein Verfahren angemeldet, welches aus den Daten von Kreditkartenzahlungen Größe und Gewicht des Käufers errechnet. Diese Daten möchte die Kreditkartenfirma laut Berichten verschiedener Medien an Fluggesellschaften verkaufen. Auch für Versicherungen wären ähnliche Daten über Ernährungsweise oder den Konsum von Tabak und Alkohol der Versicherten interessant.

Der Volkswirt Gerald Mann, Professor an der Hochschule FOM München und Mit-Autor des Buches „Bargeldverbot: Alles, was Sie über die kommende Bargeldabschaffung wissen müssen“, warnt zudem vor einer „Umerziehung zum allzeit kontrollierbaren „Konsumtrottel““. Negativzinsen zur Konjunkturbelebung kämen einer „Konsumverweigerungssteuer“ gleich: „Wer nicht konsumiert, soll von seinem Sparguthaben jedes Jahr etwas abgezogen bekommen“, so Mann. Dies sei ein Frontalangriff auf die Sparkultur.

Und das Argument, eine Bargeldabschaffung verhindere Kriminalität, stößt auf Widerspruch. Die Größe der Schattenwirtschaft werde sich dadurch nur um zwei bis drei Prozent verringern, schreiben ausgerechnet die Autoren einer Studie der Deutschen Bank. Ihre Verfasser verweisen darauf, dass Einnahmen aus Finanz- und Steuerberatung nicht nur dem Doppelten der Einkünfte aus dem organisierten Verbrechen entsprechen, sondern dass diese Tricksereien überwiegend auch bargeldlos vonstattengehen.

Nach Ansicht von Gerald Mann stellt der 500-Euro-Schein vor allem einen platzsparenden Wertspeicher für Haushalte, Unternehmen und Banken dar. Auch die Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele plädiert für das Bargeld: „Bargeld ist geprägte Freiheit“, zitierte Thiele Dostojewski auf einer Veranstaltung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in Berlin. Eine Bargeldabschaffung würde die Menschen „immer gläserner“ machen und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschränken.

Was bisher geschah: Bargeld wird schrittweise teurer und umständlicher

In seinem im Herbst letzten Jahres erschienenen Buch „Der Fluch des Geldes“ fordert Kenneth Rogoff, eine langsame und schrittweise Bargeldabschaffung, damit Institutionen und Bevölkerung Zeit zur Anpassung hätten. Wohlgemerkt: Verkündet hat eine Abschaffung des Bargelds bisher niemand. Allerdings gab es zuletzt unabhängig voneinander verschiedene Schritte, durch die der Umgang mit Bargeld eingeschränkt oder zumindest kostspieliger wurde:
  • Februar 2016: Die Bundesregierung überlegt, eine Obergrenze für Barzahlungen in Höhe von 5.000 Euro einzuführen. Das Finanzministerium begründet diese Erwägungen mit der Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus.
  • Mai 2016: Die Europäische Zentralbank teilt mit, dass sie die Ausgabe des 500-Euro-Scheins gegen Ende 2018 einstellt. In ihrer Pressemitteilung begründet die EZB den Schritt damit, dass der 500-Euro-Schein ein Instrument für illegale Aktivitäten sei.
  • Zweites Halbjahr 2016: Eine ganze Reihe von Banken stellt ihre Preismodelle für Girokonten und damit verbundene Dienstleistungen um, um entgangene Zinsgewinne zu kompensieren. Viele Geldhäuser haben im Zuge dessen die Gebühren für Bargeldabhebungen am Automaten erhöht.
  • Januar 2017: Die Sparda-Bank Hannover verkündet, dass Kunden nur noch an zwei von 25 Filialen Münzen einzahlen können. Bereits im Juli 2016 hat die Ostsächsische Sparkasse Dresden die Münzeinzahlautomaten abgeschafft und verlangt nun eine Gebühr für Münzeinzahlungen am Schalter.

Bargeldloses Zahlen wird schrittweise einfacher

Der Gebrauch von Bargeld wir teurer. Auf der anderen Seite wird es den Verbrauchern immer einfacher gemacht, auf Bargeld zu verzichten. Mobile-Payment-Apps ermöglichen das Zahlen mit dem Smartphone an immer mehr Verkaufsstellen. Dank NFC-Technologie kann an zahlreichen Kassen mit der Kreditkarte fast im Vorbeigehen bezahlt werden. Bei Beträgen unter 25 Euro ist nicht mal mehr eine PIN oder eine Unterschrift nötig. Laut Professor Mann wurden die Transaktionskosten bei bargeldlosen Zahlen durch staatliche Vorgaben gesenkt und so dem elektronischen Zahlen Vorteile gegenüber dem Bargeld verschafft. Mit der EU-Richtlinie zur Begrenzung der sogenannten Interbankenentgelte sinken die Kosten für den Einsatz einer Kreditkarte im Handel zusätzlich, was wiederum Akzeptanz von Kreditkartenzahlungen erhöht. Anfang 2016 konnten Visa- und Mastercard-Kunden bereits bei 240.000 Einzelhändlern in Deutschland per Kreditkarte bezahlen.
 
Weiterhin mahnt Prof. Dr. Gerald Mann: „Es gibt die ökonomische Logik, die durch die zunehmende Digitalisierung kostengünstigere Variante – nämlich Bargeldlos – immer stärker zu nutzen. Vergessen wird bei dieser Kostenspareuphorie aber gerne die Anfälligkeit digitaler Systeme im Allgemeinen und des elektronischen Zahlens im Speziellen für Cyberwar-Angriffe und sonstige Stromausfälle, mit möglicherweise katastrophale Folgen.“

Wer darf eigentlich das Bargeld abschaffen?

Kann das Bargeld einfach so abgeschafft werden? Rechtlich gesehen ist Bargeld nach §14 Abs.1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Für Gläubiger besteht eine Annahmepflicht. Doch damit scheinen es selbst die Behörden nicht allzu genau zunehmen. In mehreren Bürgerämtern in Berlin können die Bürger Pässe, Führerscheine und dergleichen nur noch mit Karte zahlen. Aber kann eine Behörde oder der Staat Bargeld komplett abschaffen? Nach dem Vertrag von Maastricht liegt das ausschließliche Recht zur Genehmigung zur Ausgabe von Banknoten und Münzen bei der EZB. Die Ausgabe selbst erfolgt über die nationalen Zentralbanken. Damit besitzt die EZB theoretisch auch den rechtlichen Rahmen, die Ausgabe von Bargeld einzustellen und damit das Bargeld quasi abzuschaffen. Bei der Abschaffung des 500-Euro-Scheins macht sie bereits von diesem Recht Gebrauch.

Wie jeder einzelne den Trend zum digitalen Bezahlen vorantreibt

Vor nicht allzu langer Zeit kam man um einen Gang zum Geldautomaten nicht herum. Heute wird Geld einfach vom Handy zum Handy überwiesen oder mit der Karte im Vorbeigehen bezahlt – Bargeldlose Transkationen sind bequem und setzen sich mehr und mehr durch. Seit 1994 ist laut einer Studie der Direktbank ING-DiBa der Anteil der Kartenzahlungen im deutschen Einzelhandel von acht auf 45 Prozent angestiegen. Demgegenüber ist der Anteil der Barzahlungen von 80 auf 52 Prozent gefallen. Auch der durch das Online-Shopping erzielte Umsatz ist in Deutschland von 17,8 Milliarden Euro in 2007 auf 39,8 Milliarden Euro in 2015 angewachsen. Zeitgleich ist die Anzahl der Kartenterminals hierzulande von 566.000 Geräten auf 881.000 Geräte gestiegen. Allerdings haben vor allem die Deutschen nach wie vor ein besonderes Verhältnis zum Bargeld: Eine Umfrage der GfK-Marktforschung, die vom Bankenverband in Auftrag gegeben wurde, ermittelte im letzten Frühjahr, dass 47 Prozent der Deutschen Bargeldzahlungen favorisieren. Nur 22 Prozent zahlen lieber mit Kreditkarte – trotz vielfältiger technischer Möglichkeiten.

In Schweden sieht das ein wenig anders aus. Dort ist Bargeld weitestgehend aus dem alltäglichen Gebrauch verschwunden. Abgeschafft wurde es nicht, es ist nur unbequem geworden, was unter anderem auch an der geringen Geldautomatendichte in diesem flächenmäßig großen Land liegt. Für die schwedischen Verbraucher ist es üblich, den Gang zur öffentlichen Toilette oder die Brötchen beim Bäcker mit der Kreditkarte zu bezahlen. Sogar die Verkäufer der Obdachlosenzeitung in Stockholm haben mobile Kartenlesegeräte, auch die Kollekte im Dom von Uppsala wird elektronisch bezahlt. Ist die Abschaffung des Bargelds also nur die Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung, gegen die wir uns hierzulande wieder einmal etwas mehr sperren als andere? Schließlich wurde das Gold auch mal durch Papiergeld ersetzt. 

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